Imagepflege statt
ernsthafte Hilfe
Als
sich, im Sommer dieses Jahres, das Blatt von heute auf morgen wendete
und Deutschland von der waffenexportierenden und kriegführenden
Großmacht zum helfenden Weltpolizisten gradierte, etablierte sich in
der sogenannten bürgerlichen Mitte dieser Gesellschaft eine
Willkommenskultur, der eine heterogene Masse, vom studierenden
Ökodeutschen bis hin zum plötzlich politisch interessiert
gewordenen Rentner, folgte. Nach jahrelangem Desinteresse entstanden
wöchentlich und bundesweit neue Willkommensbündnisse, deren
Anhänger*innen ihre Freizeit fortan an Hauptbahnhöfen deutscher
Großstädte verbrachten, wo sie ankommende Flüchtlinge mit endlosem
Applaus, veganen Süßigkeiten und gut riechenden Blumen begrüßten.
Es dauerte nur wenige Tage, bis sich die ersten Linken in den Mob der
„Refugees Welcome“-Schreienden einreihten. Vor lauter Freude,
dass sich das verhasste Dunkeldeutschland endlich ins langersehnte
Helldeutschland verwandelt, vergaßen sie jedoch, aus welchem Grund
antirassistisches Engagement für hilfsbedürftige Menschen plötzlich
in der hiesigen Gesellschaft ein allgegenwärtiger und beliebter
Trend darstellt, an dem neben SPD-Politiker*innen selbst C-Promis,
denen bis dato jegliche Probleme dieser Welt egal waren, teilnahmen.
Nicht
der auf Hilfe angewiesene Flüchtling, sondern das Ansehen
Deutschlands in Europa und der Welt steht bei der Willkommenskultur
im Vordergrund. Dieses litt unter der historischen Vergangenheit, die
der Deutsche am liebsten aus den Geschichtsbüchern ausradieren
würde, stark und soll nun mithilfe der gegenwärtigen
Flüchtlingsproblematik zurecht gebügelt werden.
Die
Flüchtlinge, die vor den herrschenden Verhältnissen in ihrer Heimat
nach Europa fliehen, dienen bei diesem Versuch somit als perfekt
geeignete und nützliche Objekte zur erfolgreichen Imagepflege. Von
der Existenz einer sogenannten Willkommenskultur profitiert letztlich
nur Deutschland – aber nicht geflüchtete Menschen, denen mit
dieser angeblich geholfen werden soll.
Mut zur Realität
Der
Hype, Asylsuchenden als Teil des neuen, geläuterten Deutschlands zu
helfen und seine Taten prahlend auf facebook & Co. zu
dokumentieren, ist seit mehr als zwei Monaten vorbei –
glücklicherweise. Doch einige Anhänger*innen der Willkommsnekultur
meinen es mit ihrem Engagement ernst. So werden beispielsweise immer
noch Willkommensfeste veranstaltet, die realitätsignorierend
versuchen, Provinznester, in denen Flüchtlinge tagtäglich
rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind, als weltoffene Orte
darzustellen.
Beim
Mobilisieren setzen die Veranstalter*innen auf zynische Mottos wie
"Refugees welcome" oder "XYZ ist bunt", um den
Flüchtlingen zu suggerieren, dass Hilfesuchende, unabhängig von
ihrer Herkunft, willkommen sind. Von der Realität, der die
Flüchtlinge nach jener Veranstaltung wieder ausgesetzt sind, wollen
die Organisierenden jedoch nichts wissen.
Denn
die Tatsache, dass jene, die die Aufnahme von Geflüchteten
befürworten, an Orten wie Heidenau oder Freital einer abzählbaren
Minderheit angehören, bleibt bewusst unkommentiert.
Anstatt
unnötige Willkommensfeste zu veranstalten und die deutschen Zustände
einfach hinzunehmen, ist es umso sinnvoller, sich kritisch mit
bestehenden Problemen auseinanderzusetzen und nach ernsthaften,
praxisnahen Lösungen zu suchen. Dauerhaftes Engagement für
Hilfsbedürftige sollte weiterhin zum antifaschistischen
Selbstverständnis gehören – es sollte jedoch grundsätzlich, vor
allem aus linker Sicht, darauf geachtet werden, wie man den Menschen
hilft: nicht als Teil einer deutschen Willkommenskultur, sondern
ernsthaft und kritisch.
Gastautor Leon S.